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Was die Welt im Innersten zusammenhält – Angelika J. Trojnarski im Gespräch mit Christoph Blank

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Angelika J. Trojnarski, 1979 in Polen geboren, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Von 2006 bis 2009 studierte sie an der Kunstakademie Düsseldorf bei Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, Herbert Brandl und wechselte 2010 zu Andreas Gursky in die Klasse für Freie Kunst. Bei ihm schloss sie 2013 ihr Studium als Meisterschülerin ab. Internationale Arbeits- und Recherchestipendien prägen ihren Lebenslauf. Wir trafen Angelika J. Trojnarski in ihrem Düsseldorfer Studio zum Gespräch.

Inwieweit haben die Akademie und Deine Professoren Dich und Deine Arbeiten geprägt?

Ich hatte das Glück in vielen Klassen und folglich sehr unterschiedlichen Welten und Konstellationen zu studieren. Ich begann bei den Malern Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, Herbert Brandl und war die letzten Jahre meines Studiums beim Fotografen Andreas Gursky. Ich kann für keine Klasse einzelnen Beispiele destillierter Erfahrungen aufzählen, aber ich kann sagen, dass bei all meinen Professoren die Botschaften, Lehrmethoden und Klassensubstanz nicht hätten verschiedener sein können. Diese Varietät ließ mich früh erkennen, dass Kunst unterschiedliche und doch gleichberechtigte, relevante Standpunkte haben kann, darf und soll.

Welches Anliegen verfolgst Du mit Deiner Kunst? Was möchtest Du ausdrücken?

Als Künstlerin bin ich wie eine Wissenschaftlerin auf der Suche nach einem tieferen Weltverständnis. Wissenschaftler sind Künstler und Künstler sind Wissenschaftler. Alle meine Arbeiten beschäftigen sich mit unserer Umwelt, mit Naturphänomenen und physikalischen Abläufen. Sie thematisieren einerseits, was wir im Alltäglichen visuell und haptisch erleben, andererseits meine Gefühle und Gedanken bei extremen Gewittern in Texas oder beim Anblick eines vor sich hin schmelzenden Eisbergs in Island. Ich möchte das Fragile und Erhabene erfahrbar und greifbar machen, das Analytische verstofflichen, und durch diesen Mix emotional aufladen. Damit möchte ich Bewusstsein und Respekt für die prekäre Lage der vom Menschen in ein Ungleichgewicht gebrachten Umwelt schaffen. Mir geht es um Liebe zur Natur und ihrer Einzigartigkeit.

Welche Techniken und Materialien bevorzugst Du?

Meine Leinwandarbeiten baue ich Schicht für Schicht aus collagiertem Papier, Farbe und fragmentarischen Motiv auf. Mit diesem formalen Aufbau unterstreiche ich die eben beschriebene Instabilität und Fragilität unserer Umwelt. Mit expressivem, aber gesetztem Duktus trage ich die Ölfarbe entweder mit einem Pinsel oder einem Spachtel auf - bzw. teilweise auch wieder ab. Somit entsteht in meinen Bildern ein fortwährendes Ringen aus unteren und oberen Schichten, von lasierenden und opaken, heilen und kaputten Flächen. Sie sind somit nicht nur Ausdruck der Komplexität meines Themas, sondern auch Versinnbildlichung des Ringens um Werden und Vergehen, Streben und Scheitern, Schützen und Zerstören.

Wenn Dich ein Kind fragt, was Du künstlerisch machst, was antwortest Du?

Wie Du frage ich mich, warum Steine fallen, Vögel fliegen, Planeten kreisen. Mit Hilfe des bekannten „Wer, Wie, Was? Wieso, Weshalb, Warum?“ möchte ich erfahren, woher alles kommt und wohin alles geht. Meine Neugier ist die gleiche wie Deine Neugier.

Welchen Regeln folgt Dein Stil?

Gegen Ende des Studiums entstand mein Credo, dass das Material der Idee folgt. Der Malerei bin ich treu geblieben, jedoch wuchs meine Offenheit für einen experimentellen Materialmix. Beispielsweise binde ich heute mit Chemikalie gebleichte Papiere in die Leinwand oder Kupferpulver und Rußschlieren in die Farbe mit ein. Die Qualität und Beschaffenheit additiver Materialien lässt mich eine zeitgemäße Spannung zur klassischen Ölfarbe erzeugen.

Sammelst Du Kunst?

Zu Hause habe ich eine kleine, aber feine Sammlung befreundeter Künstlerinnen und Künstler. Zudem umgebe ich mich dort mit eigenen Arbeiten, die für maßgebliche inhaltliche und formale Veränderungen in meinem Werk stehen. Ich mag es, in den Arbeiten zu erkennen, wie sich mein Duktus im Laufe der Zeit entwickelte und zu überlegen, wie es weitergeht.

 
Installationsansicht Perfect Storm, Galerie Tanja Wagner, 2019 – links: Breath, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 180 x 150 cm, 2019 – rechts: Petrichor, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 150 x 135 cm, 2019 – Raum: Lumina, ge…

Installationsansicht Perfect Storm, Galerie Tanja Wagner, 2019 – links: Breath, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 180 x 150 cm, 2019 – rechts: Petrichor, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 150 x 135 cm, 2019 – Raum: Lumina, gelb eingefärbte Galeriewände

Installationsansicht Biophilia, Kunst & Denker Contemporary, 2019 – links: Stress I & II, je Inkjet print, Ruß, 38 x 33 cm, 2019 – rechts: Vigor, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 68 x 58 cm, 2019

Installationsansicht Biophilia, Kunst & Denker Contemporary, 2019 – links: Stress I & II, je Inkjet print, Ruß, 38 x 33 cm, 2019 – rechts: Vigor, Papier, Sprühfarbe, Graphit, Öl auf Leinwand, 68 x 58 cm, 2019

Installationsansicht Between the Lines, Kunsthaus Essen, 2018 – hinten: Sparks II & III, je Chemikalie, Kohle, Papier auf Leinwand, 70 x 50 und 70 x 60 cm, 2018 – vorne: Wogender Bernstein, Holz, Messing, Kupferdraht, Kupferscheiben, Holzkugeln:…

Installationsansicht Between the Lines, Kunsthaus Essen, 2018 – hinten: Sparks II & III, je Chemikalie, Kohle, Papier auf Leinwand, 70 x 50 und 70 x 60 cm, 2018 – vorne: Wogender Bernstein, Holz, Messing, Kupferdraht, Kupferscheiben, Holzkugeln: je ø 17 cm, Kupferscheiben: 2 x ø 16 cm, 1 x ø 18 cm, 2016

 

Welches Museum beeindruckt Dich?

Im Deutschen Museum, München, dem weltweit größten Naturwissenschafts- und Technikmuseum, bin ich seit vielen Jahren am liebsten und häufigsten. In seinen historischen physikalischen Objekten und Versuchsaufbauten erkenne ich starke Parallelen zu heutigen künstlerischen Arbeiten und Installationen. Jedes Exponat, jeder Raum, jede Etage beschreibt nicht nur unsere Umwelt und hilft, die materielle Welt zu verstehen, sonders streift gleichzeitig philosophische Fragen zu Existenz und menschlicher Stellung im Weltganzen. Was verrät unser Leben im Kleinen über das Universum im Großen? Wie gesagt: Wissenschaftler sind Künstler und Künstler sind Wissenschaftler.

Gibt es Künstler, die Dich beeindrucken?

Ólafur Ellíasson schlägt in seinen Arbeiten eine überzeugende Brücke zwischen wahnsinnig ästhetischer, zeitloser Kunst und dringlicher klimapolitischer Relevanz. Seine klugen Arbeiten sind gleichermaßen sanft und radikal. Ich bin ein großer Fan. Malerisch überzeugt mich insbesondere Adrian Ghenie, mit seinem furios-aggressiv-nonchalanten Farbauftrag. Was bei ihm nahezu rabaukenhaft daherkommt, ist präzise beobachtet und umgesetzt. Die Werke beider Künstler lösen neben dem visuellen Genuss bei mir immer auch eine eigene Schaffenslust aus. Sie sind für mich wie Funkenflüge.

Eine typische Angewohnheit von Dir?

Zu vieles fange ich zu schnell und zu impulsiv an. Ich habe diesen gewissen Hang zum Aktionismus, statt mich kurz zu sammeln, abzuwarten und Tee zu trinken. Vor einem Bild zu sitzen und zu schauen fällt mir allerdings leicht.

Wie sind Deine Erfahrungen im Kunstmarkt und was rätst Du jungen Künstlern bzw. Akademie-Absolventen?

Nicht dem Markt nachlaufen, sondern sich selbst finden und somit dem Markt voraus sein.

Inwieweit verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt? Welche Rolle spielt für Dich die Digitalisierung in der Kunst und im Kunstmarkt?

Digitale Medien und Plattformen sind immense Multiplikatoren für die Sichtbarkeit eigener Kunst und die Erweckung / Bildung fremden Interesses und Begehrlichkeit. Je mehr Zeit vergeht, desto stärker empfinde ich diese Bewegung und spüre die Wirkung. Dennoch wird durch die Digitalisierung das Interesse an real gesehener und erfahrbarer Kunst nicht verschwinden, vielmehr verstärkt sich die Sehnsucht nach ihr sogar. Gerade Malerei kann digital nicht wirklich erfasst werden, da Struktur, Details und Farbtiefe auf einem Bildschirm nur bedingt wiedergegeben werden.

Was können wir in nächster Zeit von Dir sehen? An welchen Projekten und Ideen arbeitest Du momentan?

Nun, COVID-19 lässt uns die Luft anhalten… Wenn im November die Art Cologne stattfinden sollte, dann sind dort auch Arbeiten von mir zu sehen. Im gleichen Monat stelle ich bei meiner Galerie Tanja Wagner im Rahmen ihres 10-jährigen Jubiläums in Berlin aus. Und wenn es die Lage zulässt, bin ich ebenfalls im November beim Artist in Residence in Andratx auf Mallorca und realisiere ein Projekt zum größten Waldbrand in der Geschichte der Insel.

 
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www.trojnarski.com

Interview und Produktion: Christoph Blank
Fotos: Jennifer Rumbach